Eine klingende Biografie in 7 Teilen
Der deutsche Autor Michael Schulte hat das Leben des Karl Valentin nacherzählt und dokumentiert. Dabei kommen Menschen aus Valentins Leben wie Liesl Karlstadt zu Wort. Im Zentrum aber steht einer der größten Komiker des 20. Jahrhunderts und sein Werk.
8. April 2017, 21:58
"Dieser Mensch ist ein durchaus komplizierter, blutiger Witz. Er ist von einer ganz trockenen, innerlichen Komik, bei der man rauchen und trinken kann und unaufhörlich von einem innerlichen Gelächter geschüttelt wird, das nichts besonders Gutartiges hat". So charakterisierte Bertolt Brecht in einem Essay Karl Valentin, einen der bedeutendsten deutschsprachigen Komödianten des 20. Jahrhunderts. Valentins Vater ist ein aus Darmstadt stammenden Tapezierer, seine Mutter arbeitet als Köchin. Schon als Kind zeigte der am 4. Juni 1882 als Valentin Ludwig Fey in einer Münchner Vorstadt geborene Valentin einen Hang zum Skurrilen und Komödiantischen. Nach der Schulzeit und nach Abschluss einer Schreinerlehre tritt er daher im Frühjahr 1902 in die "Münchner Varietéschule" ein und erprobt sich mit wechselhaftem Erfolg als Salonhumorist.
Erste Erfolge
Als der Vater stirbt, wird dessen überschuldete Firma verkauft und Valentin steckt die 6.000 Mark aus dem Erlös und seine ganzen Hoffnungen in ein selbstgebautes Orchestrion mit 20 Instrumenten. Doch die Tournee, die ihn als "Musikal Fantast Charles Fey" über Nürnberg, Leipzig und Halle bis nach Berlin führt, endet in einem finanziellen Desaster. Valentin ist trotz dieses Misserfolgs von seinem Talent als Komiker überzeugt, er hatte sich nur zu sehr auf die Sparte Musik-Clown versteift. Aber mit witzig-bissigen Couplets und Monologen hat er beim Publikum bald Erfolg. 1909 wird er in München an den "Frankfurter Hof", ein renommiertes Kabarett, engagiert. Karl Valentins Vorstellungen sind bald das Tagespräch von München.
Liesl Karlstadt
Im "Frankfurter Hof" tritt eines Tages auch ein Singspielensemble auf, das mit rührseligen Volksweisen das Publikum unterhält. Diesem Ensemble gehört eine schmächtige Soubrette an: Elisabeth Wellano. Karl Valentin erkennt ihr komödiantisches Talent und rät ihr, ins komische Fach zu wechseln und seine Partnerin zu werden – unter dem berühmt gewordenen Pseudonym "Liesl Karlstadt". "Partnerin" ist allerdings nur ein schlichter Sammelbegriff für all das, was Liesl Karlstadt bald für Karl Valentin wird: Ko-Autorin, Ko-Regisseurin, Geliebte, Organisatorin, Psychiaterin, Souffleuse. Mehr als zwei Jahrzehnte ordnet sich Liesl Karlstadt auf der Bühne und im alltäglichen Leben Karl Valentin unter. Mehr als zwei Jahrzehnte erträgt sie seine Launen, nimmt sie ihm alle lästigen organisatorischen Arbeiten ab, geht sie auf seine Ängste, seine Hypochondrie, seine mannigfachen seelischen Komplikationen ein, ohne dass Karl Valentin kaum je an ihren Problemen Anteil nimmt.
Film und Theater
Im Sommer 1922 wird Bertolt Brecht mit Valentin bekannt. Bald darauf drehen die beiden einen Film: "Mysterien eines Frisiersalons". Er entsteht auf einem Speicher in München. Die Handlung ist so konfus, dass die cineastische Fachwelt sich bis heute nicht darüber einig ist, ob es sich um ein abgeschlossenes Werk oder ein Fragment handelt. "Mysterien eines Frisiersalons" wird ein skurriles Meisterwerk, in dem u. a. Kunden geköpft und die Köpfe wieder angenäht werden. Valentin ist mittlerweile so populär, dass ihn die Münchner Kammerspiele, als sie in finanzielle Schwierigkeiten geraten, als Kassenmagnet für die Nachtvorstellung engagieren. Auf nachdrückliches Zureden hin verfasst er den Zweiakter "Die Raubritter von München". Der Eröffungsdialog zwischen dem Wachposten Bene und dem Trommlerbuben Michl ist eines der schönsten Zwiegespräche zwischen Valentin und Liesl Karlstadt. Die Kritik ist begeistert. Der Abend ist einer der Höhepunkte in Valentins Bühnenleben.
Karl Valentin trägt sich auch mit dem Gedanken, ein eigenes Panoptikum zu eröffnen und wendet sich an Emil Eduard Hammer, einen Spezialisten für anatomische Plastik. Der warnt Valentin vor den zu erwartenden Kosten. Nachdem Valentin sein gesamtes Vermögen in das Projekt investiert und auch Liesl Karlstadts Vermögen verpulvert hat, wird das Panoptikum im Herbst 1934 im Keller des Hotels Wagner eröffnet, und ein Jahr später bereits für immer geschlossen.
Ritterspelunke und Luftschutzkeller
Im Juni 1939 eröffnet Valentin erneut eine Spielstätte: die "Ritterspelunke". Im November steht die Uraufführung des "Ritter Unkenstein" auf dem Programm, Valentins letzte Komödie. Seine Partnerin ist damals nicht Liesl Karlstadt, sondern Annemarie Fischer, eine bildhübsche Soubrette. Valentin verliebte sich in die 35 Jahre jüngere Frau, die bald seine Geliebte wird, was Liesl Karlstadt nicht verborgen bleibt. Sie zieht ihre Konsequenzen und tritt erst kurz vor Valentins Tod, 1948, wieder mit ihm zusammen auf. Als Valentin im Februar 1940 von der Stadt München aufgefordert wird, seinen Bühnenfundus für einen Luftschutzkeller zu räumen, verkauft und verschenkt er aus Wut darüber über hundert Kostüme und zerhackt seine Requisiten zu Brennholz. Um zu Geld für weitere Filmprojekte zu kommen, will er seine umfangreiche Sammlung Altmünchner Stadtansichten an Adolf Hitler verkaufen, der Valentin sehr gewogen ist. Das Geschäft, das über Hitlers Leibfotografen, Heinrich Hoffmann, laufen sollte, kommt jedoch nicht zustande, da Hitler die Bedingung stellt, dass Valentin die 100.000 Reichsmark - damals ein beachtliches Vermögen - aus dem Verkauf nicht für Filme verwenden dürfe.
Letzte Pläne
Nach einem letzten Gastspiel im Deutschen Theater zieht sich Valentin mit seiner Familie bis Kriegsende in sein Haus in München Planegg zurück. Nach Kriegsende 1945 ist er auch wieder voller neuer Pläne. München ist zwar zerbombt, doch Valentin hofft, bald eine Singspielhalle eröffnen zu können. Seine Pläne kann er nicht mehr verwirklichen. Die Nachkriegszeit zieht andere Formen der Unterhaltung vor. Die Not zwingt ihn schließlich, als Depotverwalter der Musikinstrumentensammlung des Münchner Stadtmuseums zu arbeiten. Danach steht er vor dem Nichts. Valentin wird Hausierer. In seiner Kellerwerkstatt stellt er Haushaltsgegenstände aus Holz her, die er in der Nachbarschaft zu verkaufen oder gegen Lebensmittel einzutauschen versucht. Valentin träumt auch von Radioprogrammen, aber die Hörer wollen nichts mehr von ihm wissen. Man lässt Valentin im Glauben, die amerikanischen Kontrolloffiziere hätten ihn abgelehnt, weil man ihm die Wahrheit nicht sagen will. Am 9. Februar 1948, am Rosenmontag, stirbt Karl Valentin an den Folgen einer Erkältung. Liesl Karlstadt stirbt zwölf Jahre später, am 20. Juli 1960.
Sommerserie in der "Hörspiel-Galerie"
Der deutsche Autor Michael Schulte hat für den Mitteldeutschen Rundfunk das Leben des Karl Valentin in sieben Folgen nacherzählt und dokumentiert. In den verschiedenen Teilen der Biographie kommen Menschen aus Valentins Leben, wie Liesl Karlstadt, Annemarie Fischer und Gert Fröbe persönlich zu Wort. Im Zentrum des Geschehens steht aber der als Valentin Ludwig Fey 1882 in München geborene Karl Valentin selbst.Vom 2. Juli bis einschließlich 13. August darf also eine ganze Sommerserie lang jeden Samstag gelacht werden. Ab 14 Uhr in der "Hörspiel-Galerie".
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